In der eng verwobenen Welt der Politik, der NGOs und der unser Leben unermüdlich verbessernden gemeinnützigen Vereine gibt es neben hehren Einzelkämpfern immer mehr gesellschaftlich schillernde und gut vernetzte Paare. Familienbande: ein Wort, das, nach Karl Kraus, einen Beigeschmack von Wahrheit hat.
von Thomas Punzmann
Der neue starke Mann der schwachen SPD, Lars Klingbeil, und seine Frau Lena-Sophie Müller sind so ein Traumpaar: Er wird mit Friedrich Merz endlich über Sonderschulden in Billionenhöhe verfügen können – was seinem Vorgänger Scholz noch verwehrt wurde. Und seine Frau ist Geschäftsführerin der Initiative21. Diese Initiative ist natürlich ein gemeinnütziger Verein. Liest man die Satzung, versteht man auch, warum.
Liest man auf der Homepage weiter, findet man unter „Unsere Werte“ alles, was heute wichtig ist: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt, Inklusion, Toleranz, Respekt, Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Verantwortung und Transparenz. Bei so vielen politisch korrekten Begriffen ist es kein Wunder, dass der Verein viele Förderer hat. Hier ein unvollständiger Auszug: Accenture, Allianz, Barmer, Bundesanstalt für Arbeit, Capgemini, Deloitte, Deutscher Beamtenbund, Finanzgruppe der Sparkassen, Ernst & Young, Google, IBM, Huawei, KPMG, Meta, Microsoft, McKinsey, SAP, PWC, O2 Telefónica und die Telekom. Auffallend ist jedoch, dass es im Gegensatz zur blumigen Sprache des guten Wollens nichts über die Finanzierung und die Verwendung der Mittel zu lesen gibt. Da hält sich die Initiative21 bedeckt.
Ziel des Vereins ist jedenfalls, „die digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Die Digitalisierung bietet“, so die Initiative21, „umfassendes Verbesserungspotenzial für unsere Gesellschaft und den Standort Deutschland. Deshalb streben wir ausgezeichnete Rahmenbedingungen für digitale Innovationen und eine kompetente und selbstbestimmte digitale Gesellschaft in Deutschland an.“ Und damit die Selbstbestimmtheit nicht aus dem Ruder läuft, werden Kurse mit dem Thema „Ist das Ende der Medienkompetenz erreicht? Chancen, Risiken und Regulierungsmöglichkeiten von Social-Media-Nutzung in der Schule“ veranstaltet.
Regulieren zu können: Nichts macht die Vertreter eines übermächtigen und übergriffigen Staates glücklicher. Wolfgang Schmidt und Philippa Sigl-Glöckner, beide SPD, sind ein weiteres Traumpaar. Er, noch Kanzleramtsminister, sie zunächst seine Büroleiterin, jetzt Kandidatin für ein Bundestagsmandat in München. Für den neuen Bundestag hat es leider für beide nicht gereicht. Auf der SPD-Liste waren jeweils zu viele vor ihnen.
Philippa Sigl-Glöckner ist Regierungsrätin, Mitglied des wirtschaftspolitischen Beirats der SPD und Gründerin des „Thinktanks“ Dezernat Zukunft. Überflüssig zu erwähnen, auch Dezernat Zukunft ist natürlich gemeinnützig. Auf der Webseite erfahren wir auch, warum: „Das Dezernat Zukunft ist ein überparteilicher Thinktank mit dem Ziel, Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik verständlich zu erklären, einzuordnen und neu zu denken. Mit unseren Denk- und Lösungsansätzen richten wir uns an politische Entscheidungsträger:innen, an Presse und Wissenschaft sowie an Nachwuchsdenker:innen. Damit wollen wir zur Debatte beitragen und Menschen bei der Bildung ihrer politischen Meinung unterstützen. Bei dieser Arbeit sind wir geleitet von unseren Kernwerten: Demokratie, Menschenwürde und breit verteilter Wohlstand.“
Dann geht es mit den Grundwerten munter weiter: „Mittelpunkt und Ethos der Gesellschaft ist die menschliche Entfaltung – nicht Gewinn-, Kapital- oder Wachstumsmaximierung. Alles Wirken und Wirtschaften muss im Einklang mit den planetaren Grenzen geschehen. Technokratische Institutionen und Märkte sind kein Selbstzweck, sondern nützliche Technologien der sozialen Organisation und damit Werkzeuge. Die Demokratie bildet das oberste Organisationsprinzip unserer Gesellschaft.“
Planetarische Grenzen, Märkte sind kein Selbstzweck und Technologien der sozialen Organisation: Das klingt mehr nach Kollektivismus als nach Marktwirtschaft und Freiheit des Einzelnen.
Dass sich diese ideologischen Theorien von Philippa Sigl-Glöckner nicht so gut mit der Wirklichkeit vertragen, kann man in einem – schlecht gealterten – Gespräch nachlesen, das sie mit Hans-Werner Sinn im Januar 2022 für DIE ZEIT führte. Damals behauptete sie, dass es momentan gut erklärbar sei, woher die Inflation kommt. „Das sind, wie gesagt, vor allem die Energiepreise, es hat wenig mit der Staatsverschuldung zu tun. Es ist daher nicht plausibel, warum die Verschuldung momentan deshalb begrenzt werden sollte. Aber natürlich muss man die Inflation beobachten. Wenn es so ist, dass die Inflationserwartungen stark steigen, wenn die Gewerkschaften plötzlich hohe Tarifabschlüsse durchsetzen, dann müssen wir reagieren. Aber in der Situation sind wir derzeit nicht.“ Hans-Werner Sinn antwortete damals: „Das kommt mit Sicherheit. Man muss doch nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Das Kind fiel in den Brunnen.
Doch ungeachtet der Tatsache, dass die Wirklichkeit all diese sozialistischen Träumereien bereits widerlegt hat, fand, so ihr Wikipedia-Eintrag, ein Vorschlag zu einer „großzügigeren Berechnung der Konjunkturkomponente der Schuldenbremse“ von ihr und ihren Kollegen von Dezernat Zukunft bereits Eingang in den Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Vermutlich wird sich diese „großzügigere Konjunkturberechnung“ noch prominenter im neuen Koalitionsvertrag finden. Dank Friedrich Merz, der, um Kanzler zu werden, bereit ist, alles zu akzeptieren. Da werden dann eben solche „wissenschaftlichen“ Theorien der 16,4-%-Partei SPD zur „Reform“ der Schuldenbremse umgesetzt. Natürlich, Ehrenwort, nur für Investitionen und natürlich nur wegen Trump und Putin. Und natürlich, um all das wieder instand zu setzen, was CDU und SPD in den letzten 26 Jahren haben verrotten lassen.
Das Dezernat Zukunft gibt auf seiner Webseite immerhin allgemeine Auskunft über Einnahmen und Ausgaben. Für 2023 werden Einnahmen von nicht ganz 3,2 Millionen Euro angegeben. Als Hauptgeldgeber werden genannt: Silicon Valley Community Foundation 1,27 Millionen Euro, Good Ventures Foundation 1,1 Millionen, Laudes Foundation 330.000 Euro, P4NE 135.434 Euro, Hewlett Foundation 115.111 Euro, European Climate Foundation 103.000 Euro, Allianz Foundation 90.950 Euro und auch die Friedrich-Ebert-Stiftung lässt sich nicht lumpen und gibt noch 30.000 Euro oben drauf.
1,66 Millionen Euro gibt der Verein für „Regranting“ aus. Hier die Empfänger des Regrantings: Stichting Instituut voor Publieke Economie 290.250 Euro, Finnish Centre of New Economic Analysis 272.940 Euro, Institut Avant-Garde 212.948 Euro, LUHNIP 212.000 Euro, Stichting Our New Economy 164.600 Euro, Fondazione Giacomo Brodolini 155.250 Euro, Johannes Kepler University Linz 113.500 Euro, Föreningen Arena Idé 103.269 Euro, TU Chemnitz 93.475 Euro, WiiW 36.300 Euro und die Föreningen Katalys immerhin noch 15.000 Euro.
Die 650.000 Euro Personalkosten pro Jahr fallen da deutlich bescheidener aus. Das ist beachtlich. Denn unter „Unser Team“ postet das Dezernat Fotos von zwei Direktoren, drei Heads of Operations, einem Operations Manager, einem Mitglied des Vorstands, elf Economists oder Political Analysts, drei Assistants oder Werkstudenten, einem Praktikanten, zwei Beurlaubten (eine davon ist wegen ihrer Kandidatur Philippa Sigl-Glöckner) und fünfzehn Policy Fellows. Die Direktoren, Heads of Operations, der Operations Manager und die Economists und Political Advisors geben sich offensichtlich mit sehr schmalen Gehältern zufrieden.
Trotzdem, oder vielleicht deshalb, sucht der „Thinktank“ Verstärkung für das Team um die bestehende Ordnung zu ändern. Auf der Webseite klingt das dann so: “Wir sind zwar nicht John Maynard Keynes, aber wir nehmen die Werte Würde, Wohlstand und Demokratie ernst. Unser derzeitiges Wirtschaftssystem tut dies nicht. Hilf uns, das zu ändern.
Wir suchen Menschen, die bereit sind, groß zu denken, tief zu schürfen und an wirtschafts- und finanzpolitischen Vorschlägen so lange zu feilen, bis sie sowohl der Prüfung anderer Expertinnen und Experten standhalten als auch sinnvolle Veränderungen bewirken. Wir sehen unsere Rolle darin, Dich dabei bestmöglich zu unterstützen”. Klingt ein wenig nach Systemveränderung. Und da könnte sich, so ein bisschen, die Frage nach der Gemeinnützigkeit aufdrängen.
Aber auch die Grünen können hier mit Katrin Göring-Eckardt und ihrem Lebenspartner Dr. Thies Gundlach mithalten. Sie ist mit dem Traumergebnis von knapp über 3 % über die Liste wieder in den Bundestag eingezogen, er ist im Vorstand von United4Rescue. Laut Focus fördert die Bundesregierung den Verein bis 2026 mit jährlich 2 Millionen Euro.
Auch auf dieser Webseite findet sich Pathos im Übermaß: “United4Rescue ist das breite Bündnis zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung. Wir verbinden alle gesellschaftlichen Organisationen und Gruppen, die dem tausendfachen Sterben im Mittelmeer nicht tatenlos zusehen wollen. Durch Spendenaktionen unterstützen wir Rettungsorganisationen, die dort humanitär handeln, wo die Politik versagt”. Tichys Einblick berichtete darüber:
„Die Bundesregierung setzt ab sofort auf private Migrations-Subunternehmer. So könnte man das jüngste Kind des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag umschreiben. Erstmals fließen damit offizielle Bundesmittel an die sogenannte zivile Seenotrettung im Mittelmeer. Am frühen Freitagmorgen – in der bewussten Nacht-und-Nebel-Sitzung – fasste der Haushaltsausschuss den Beschluss, zwei Millionen Euro jährlich an den ursprünglich auf einem Evangelischen Kirchentag initiierten Dachverein United4Rescue – Gemeinsam Retten e.V. zu überweisen, der seinerseits verschiedene NGO-Schiffe unterstützt, die sich für schrankenlose Migration im zentralen Mittelmeer einsetzen. Der Verein United4Rescue wird bis heute hauptsächlich von Diakonie- und Caritasverbänden getragen. Zu den „Bündnispartnern“ des Vereins gehören aber laut eigener Webseite auch der DGB, die Kirchen und der Zentralrat der Muslime in Deutschland.“
Wenn es Deutschland über die Verflechtung, fast hätte ich Verfilzung geschrieben, darf der Name Graichen nicht fehlen. Betrachtet man diese Familie, dann bekommt der Begriff Familienbande eine geradezu plastische, klare Bedeutung. Marco Gallina schrieb im Dezember 2023 über die Graichens: „Erinnern Sie sich noch an Patrick Graichen? Im Rückblick 2023 womöglich eines der herausragenden Ereignisse des Jahres. Nicht so sehr, weil es um eine einzelne Personalie ging, sondern weil für Sekunden aufflackerte, dass es ein ganzes System zur Selbstbereicherung im Namen des Klimaschutzes gibt. Wenigstens für einige Wochen gab es einen Moment, in dem es sich anfühlte, als sei ein Fenster in einem stickigen Raum geöffnet worden. Plötzlich bekam eine Erzählung Luft, verbreitete sich: nämlich, dass die grünen Weltretter letztendlich nicht besser als die anderen waren und man dies auch offen sagen konnte und für alle Welt sichtbar wurde, ohne sogleich moralische Vorwürfe entgegengeschleudert zu bekommen.“
Da ist zunächst Dr. Patrick Graichen, erst Referent von Rainer Baake, (zeitweise Geschäftsführer der Deutschen Umwelt Hilfe, Direktor der Stiftung Klimaneutralität) dann Staatssekretär im Umweltministerium, dann stellvertretender Geschäftsführer unter Baake bei Agora Energiewende, ab 2014 dann Geschäftsführer von Agora. Als er dann seinen Trauzeugen Michael Schäfer als Chef der Deutschen Energie Agentur DENA einsetzten wollte, und vergessen hatte auf die nahen persönlichen Bindungen hinzuweisen, war es selbst für Berliner Verhältnisse zu viel und er wurde in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Seit November 2024 ist er Mitglied des Aufsichtsrats der ukrainischen Ukrenerho.
Aber es gibt ja noch Brüder und Schwestern. Verena Graichen arbeitete, wie ihr Bruder Jakob, beim Öko-Institut. Das wiederum erhielt 2021 2,4 Mio Euro und 2022 3,5 Millionen Euro Fördergelder. Das Öko-Institut sitzt im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung. Dieser berichtet an den Staatssekretärausschuß. Verena Graichen ist mit Michel Kellner verheiratet. Auch er ist, als Staatssekretär, natürlich mit Sitz im Staatssekretärausschuß. Seit neuestem ist Verena Graichen Vorstand des Landesverbandes Berlin des BUND.
Und da sage noch jemand, die Grünen hätten kein traditionelles Familienbild.
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